In neun von zehn Fällen enden Europatourneen von Schweizer Bandsdamit, dass der Motor nicht anspringt. Das kann der Anlasser der finanziellen Erwartungensein, der Vergaser von eingebildetem Zeitmangel oder der Benzinmangel an echtem Welteroberungswillen.Selten liegt’s am Kombi oder am Transit.Eine der wenigen hiesigen Bands, die all diese Hürden schafften, sind Puts Marie ausBiel.
Nicht Putzmarie, sondern Puts Marie, wie etwa in: «This song puts Marie intodeep personal crisis.» Und das ist die Band: Max Usata (Gesang, Megafon), Igor Stepniewski(Kontrabass, Horns), Sirup Gagaville (Gesang), Nick Porsche (Drums, Gesang), neustensauch Beni 07 (Orgel, Grafik). Sie begannen im Herbst 2000 mit Jazzrock und landetenbald bei einem Mix aus Punk, Gesang und Fantasie, es gab Konzerte in Holland und dreiselbstaufgenommene Alben, das letzte hiess «Is God a Dog?». Das Jahr 2004 wurde dominiertvon einem Plan: die Puts-Marie-Europatour.
Ein Gefährt wurde gefunden, Schulden wurdenabgearbeitet, Brot, Bier und Benzin wollte man sich mit Strassenmusik verdienen.Puts Marie fuhren folgende Route: Biel, Aix-en-Provence, Avignon, St-Rémy, Montpellier,Tourbes, Barcelona, Nizza, Monaco, Genua, Florenz, Rom, Freiburg, Würzburg, Dresden,Berlin, Hamburg, Radebeul, Frankfurt, Sevilla, Brüssel, Amsterdam, Århus, Kopenhagen.Alles im alten Bedford, wo auch geschlafen wurde, men only, Gastschläfer war Helferund Filmer Kilian.Barcelona zum Beispiel. Am Tag von Puts Maries Abreise trat ein Gesetz in Kraft, dasdie Zahl der Strassenmusikanten auf je einen Künstler an zwanzig definierten Plätzchenrunterschraubte.
Puts Marie spielten auf der Plaça del Pi so gut wie nie, ausser alsdie Polizei vorfuhr, die Band trotz laut protestierendem Publikum verhaftete, dieInstrumente konfiszierte, für zwei Wochen. Die Stimmung sank unters vorstellbare Niveau,Zuflucht bei Rauschmitteln, zunehmend Streit, bandinterne Schlägerei, rührende Versöhnungbeim Bier. Wonach Nick selig einschlief und ihm das Portemonnaie wegkam. Auch insAuto wurde brachial eingebrochen, dazu dauernd Verzögerungen von Amtes wegen.Dagegen schien das Glück in Rom, wo Puts Marie die Piazza Navona aufmischten. Undin Sevilla, wo die Band nach wochenlangem Tingeln in einen Klub gebucht wurde und500 Leute zum Tanzen bis zum Umfallen brachte.
Und schliesslich in Frankfurt, wo dieVerzückungen und Demütigungen der Eurotour in fünfzehn Songs gegossen wurden, dieman eher einer räudigen Bande neapolitanischer Punkcharismatiker als einer Jurasüdfuss-Comboaus der Schweiz zuschreiben würde. «Dandy Riot» heisst das Album, es startet mit denscheppernden Soulkrachern «Happy Game», «Lady» und «Camping Car», Stonerock auf Overdrivemit Rap-nahem Gesang. In «Mary-Ann Finn» herrscht elektroknisternde Bruthitze, diesich in «Brush Air» in ein sirrendes Gleissen verdünnt – zuckersüsse Kopfstimme! –,um schliesslich in einen wütenden Ausbruch auszuarten.Auf Schritt und Tritt hört man die Strassenerfahrung dieser Band – kein Ton und keineHirnzelle zu viel. Max Usata singt ähnlich wie Landsmann Paolo Nutini, bloss ist derPuts-Marie-Sound bedeutend interessanter.
Jetzt ist das Publikum dran. Verträgt esso viel Energie und schiere Raserei? Auf ihrer nächsten Europatour werden Puts Marieauch die Schweiz testen.Weiter im Inland. Adrian Weyermann ist die schöne (und immer gutfrisierte) Seele desSchweizer Rock. Es gibt Menschen jüngeren Jahrgangs, die den Swiss Pop in eine Vor-und eine Nach-Crank-Zeit einteilen: Vorher war fast alles gut, nachher alles mies,was darauf hindeuten soll, dass Crank das Beste war. Weyermann hat an gut siebzigMontagen im Zürcher «El Lokal» residiert, und die süssen Erfahrungen als Lokal-Croonerschwingen in «Pool» mit. Wie er im Song «Echo» das «Echo» singt, macht ihm zwischenFrankfurt und Mailand niemand nach. Romantischer Rock mit Röhrensound, fast perfekt.Einzig an seinen Bühnenansagen könnte er noch arbeiten. Und jetzt hoohoo: The LowIncome Entertainment aus dem taffen Bern.
In phänomenalem Schulenglisch führt einSänger (stimmlich der arme Bruder von Julian Casablancas) seine radikal scheppernde,halbakustische Good-Time-Band ins Rockdelirium. Hier reimt sich King auf Shopping,was will man mehr? Höchstens noch abstrakte Elektronik. Und die kommt hier erstaunlichsongmässig daher. Kalabrese hat den Crossover geschafft, cooler DJ summt auf Mundart.Whisky Sour, hey, ich bin eher de laid-back Tüp.

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